Freitag, 16. September 2011

Lernuhr für Kinder


...oder: die angewandte Unwirtschaftlichkeitsteigerung.

Jeder erfahrene Hobbyist weiß, dass ein Hobby meistens mehr kostet als es finanziell erspart. Was bei Briefmarkensammeln, Modelleisenbahnspielen oder Zigarren- und Whiskey-Zelebrierungen noch nahe liegt, ist auch bei praktischen Hobbies wie eben Holzwerken selten anders.
Wenn ich die Kosten für Werkzeug, Maschinen, Gebrauchsmaterial und - last but not least - den Zeiteinsatz einrechne, dann muss ich schon bis ans Ende meiner Tage Projekte verwirklichen, um die Kosten für die Werkstatt wieder herein zu bringen.
Aber darum geht es bei einem Hobby ja nicht. Man tut es ja der inneren Befriedigung wegen, oder um jemanden eine Freude zu machen.
Und das ist gut so, denn sonst hätte mich dieses Projekt verzweifeln lassen.

Um unserer Tochter das Erlernen des Uhr-Lesens zu vereinfachen, habe ich mir vorgenommen, ein Ziffernblatt samt Zeigern aus Holz zu bauen.

Was ich bei Amazon oder im nächsten Spielwarengeschäft um 10€ hätte kaufen können, habe ich in gefühlten 30 Arbeitsstunden unter mit dem Einsatz folgender Werkzeuge geschafft: Hobelmaschine (ADH), Tischkreissäge, Stichsäge, Lamellofräse, Oberfräse, Tischfräse, Exzenterschleifer, Bohrmaschine, und diverse Handwerkzeuge; also fast die gesamte Ausstattung meiner Werkstatt.
Damit habe ich wohl den maximalen Grad an Unwirtschaftlichkeit erreicht, das muss man erst toppen können.

Wenn man das Ergebnis sieht, glaubt man an ein einfaches Projekt. Und das stimmt wahrscheinlich auch, wenn alles wie geplant und glatt geht. Doch das tat es bei mir nicht.

Man kann also sagen: in diese Uhr ist jede Menge Zeit geflossen...


Das Ergebnis
Diesmal zeige ich das Resultat der Arbeit gleich zu Beginn - nicht jeder interessiert sich für die Details der Herstellung, und dieser Bericht ist wieder etwas lang ausgefallen.




Im Weiteren wird der gesamte Herstellungsprozess erklärt.




Der Anfang
Zuerst wurde etwas Ahorn zu einem ausreichend großen Brett verleimt. Die Uhr hat einen Durchmesser von etwa 35cm. Dies wurde mit der Stichsäge grob ausgesägt.


Danach habe ich daraus einen Kreis gefräst mit einem selbstgebauten Fräszirkel, der an Einfachheit kaum zu überbieten ist.



Voila, ein perfekt rundes Brett. Ein sehr gutes Ergebnis für meinen ersten Versuch, und der einfache Fräszirkel funktioniert einwandfrei.

Die verschwendete Zeit
Der nächste Schritt sollten die Fräsung der Stunden- und Minuteneinteilungen werden.
Meine Idee dazu war, dazu eine Schablone für die Oberfräse (OF) zu bauen. Und zwar mit Hilfe der Führungsschiene (FS) der Handkreissäge (HKS).
Nun habe ich aber eine HKS und FS von Festool ist und die Oberfräse ist von Makita. D.h.: baue einen FS-Adapter für die OF, damit baue eine Schablone, damit setze endlich die Arbeit am eigentlichen Werkstück fort.
So sah das dann aus:
Führungsschienenadapter mit Throttle Lever ;)
Unterflurmontage der Führungsstangen
Gefräste Nuten in der Fläche der Schablone

Wie diese Schablone genau funktionieren sollte ist nicht weiter von Belang, weil ich nach Stunden des Tüftelns und Bastelns feststellen musste, dass der V-Nut-Fräser so kurz ist, dass er ums Verrecken nicht durch die Schablone bis zum Werkstück reichen wollte - egal wie fahrlässig kurz ich ihn in die Spannzange einspannte.Alles umsonst! Stunden der Arbeit für nichts! Ich hatte zwar nun einen funktionierenden Führungsschienen-Adapter aber eine nutzlose Schablone und mein eigentliches Werkstück war immer noch bloß ein runden, nacktes Brett. Und zudem brauchte ich einen neuen Plan.

Der neue Plan
Alle Minuten/Stunden angezeichnet.


Eine neue Vorrichtung gebastelt.


Alle Unterteilungen an jeder Position gefräst.


Über das Ergebnis gefreut :)


Die Zeiger
Die Zeiger waren verhälnismäßig einfach. Ein symmetrische Figur angezeichnet, mit der Stichsäge ausgesägt und am Schleifzylinder in Form gebracht.











Zwischenergebnis
So sah es zu diesem Zeitpunkt aus. Und sollte es nicht ein Lernuhr für ein Kind werden, hätte ich an der Stelle wohl aufgehört. Mir gefällt die dezente, schlichte Eleganz.

Aber ein Kind braucht zum Uhr-Lernen auch eine Beschriftung, also ging es weiter.
Doch vor den Ziffern der Uhr wollte ich noch einen profilierten Rand anbringen.

Das Beinahe-Desaster
Den Rand des runden Brettes wollte ich nicht einfach gerade und rechtwinkelig belassen sondern mit einem Profil versehen, das etwas Abwechslung in das Design bringt. Geplantes Werkzeug: Tischfräse.

Wie folgt sah das Setup bei diesem Arbeitsschritt aus. Was man nicht sieht, ist die drehbare Befestigung des runden Brettes am unteren Trägerbrett. Dieses schiebe ich an den Fräsanschlag, der so eingestellt ist, dass der Fräser einen vorsichtigen Millimeter in das Werkstück dringt. Der Träger ist durch den Anschlag rechts davor gesichert, vom rotierenden Fräskopf weggeschleudert zu werden.

Das Werkstück kann also nirgendwo hin, es kann sich nur um seinen Mittelpunkt drehen, in einem definierten Abstand zum Fräskopf. Auf diese Weise sollte das Ziffernblatt an seinem ganzen Umfang einen konstanten Abtrag erhalten.


Ich begann vorsichtig 1 Millimeter zu zu stellen und los gings. Vorsichtig schob ich das Holz ran, drückte fest auf das Ahornbrett, damit es nach Berührung mit dem Fräser nicht augenblicklich zu rotieren beginnt und begann danach, es ganz langsam zu drehen. 
Und siehe da: funktioniert genau wie ich es mir vorgestellt hatte! Schön wenn Dinge wie geplant verlaufen.

Also nach der ersten Runde den Fräsanschlag nochmals 1mm nach hinten geschoben und den Vorgang wiederholt. 
Wieder einwandfrei. 
Ich wurde mutiger.
Diesesmal 2mm zugestellt. Brett vorsichtig rangeschoben und... peng! ... der Fräskopf krallt sich das Brett, hackt ein Stück heraus, dreht es einmal um 360° und hinterlässt tiefe Spure am Rand. Ich habe meine Finger gerade noch rechtzeitig zurück ziehen können.

Doch das Werkstück sieht ruiniert aus! Meine Güte, alles umsonst? Wie soll man das denn retten?



Die Rückseite ist zerstört, aber zum Glück ist das Stück auf der Sichtseite sauber abgesplittert. Ich versuchte es, wieder anzuleimen.


So, nun war das Stück wieder dran, aber die Rückseite sieht immer noch grauenhaft aus.

Nun denn: zuerst das Geschwür operativ entfernen.

Danach ein Spenderstück einpflanzen und verleimen.

Implantat grob an seine Umgebung anpassen.

Und danach zurück zur Tischfräse. Ich hatte keine Wahl. Der kleine Zwischenfall hat rundherum tiefe Spuren hinterlassen, die mussten ausgefräst werden.

Aber wie verhindere ich eine Wiederholung des Unglücks, wenn ich die eigentliche Ursache gar nicht kenne?

Was war überhaupt passiert? Warum funktioniert es zweimal einwandfrei und beim dritten Durchgang geht es kapital schief? Was sind den schon 2mm Zustellung bei einer Tischfräse. Erst recht bei einem Fräskopf mit Spandickenbegrenzung.

Nach reiflicher Überlegung kam ich zur Ansicht, dass der Fehler die Position des Brettes war und ich an der falschen Stelle des Brettes in den Fräser eingetaucht bin. Dort war der Faserverlauf des Holzes in Richtung der Bewegung des Fräskopfes und bildete dort durch die plötzliche Krafteinwirkung quasi eine Sollbruchstelle.

Das schien mir eine plausible Erklärung.
Ich nahm mit also vor, zunächst annähernd quer, oder besser schräg der Faserrichtung die Fräsung zu beginnen.
Und siehe da: es funktionierte wieder und nach mehreren, sehr vorsichtigen Durchgängen war das Profil fertig und vom Unfall fast nichts mehr zu sehen.


Die Ziffern
Auch die wollte ich ins Holz vertiefen. Und weil ich nach langem Nachdenken keine bessere Lösung fand als den ersten, naheliegenden Gedanken, habe ich es freihand mit der Oberfräse - wobei mir das freihand etwas Sorgen machte. Nicht wegen der Sicherheit, die kleinere Oberfäse lässt sich schon bändigen. Es war schlicht die Sorge, ohne Führung und Schablone einen furchtbar häßlichen Murks in das Werkstück zu fräsen. Es ist - vor dem Finish - der letzte Arbeitsschritt, und so so kurz vor dem Ziel war mir schon etwas mulmig.

Ich hatte Ziffern ausgedruckt, ausgeschnitten und mit Bastelkleber aufgeklebt.

Dann begann das Freihandfräsen. Eine unangenehme Arbeit, weil man wenig sieht und sich schlecht orientieren kann, wie nah an den Markierungen schon dran ist.
Immerhin habe ich es ohne grobe Schnitzer geschafft, und ich nicht unzufrieden, auch wenn es nicht eben als kalligrafische Höchstleistung in die Geschichtsbücher eingehen wird...

 Im übrigen habe ich mit diversen Schnitzmesser nach gekratzt. Hat zwar nicht viel, aber ein wenig geholfen.

Finish
Das Ziffernblatt ist mit Acryllack behandelt worden, die Zeiger mit Leinölfirnis. Punkt. Mehr gibt's darüber eigentlich nicht zu sagen.


Fazit & Lessons Learned
  • Man kann es sich nicht oft genug sagen: Aufpassen bei bei Tischfräse! Und wie sich zeigte, besonders bei runden oder geschwungenen Werkstücken. Wenn man nicht auf die Faserrichtung achtet, kann es böse schiefgehen.
  • Wer nicht vorher genau schaut, wie weit seine Oberfäse mit einen bestimmten Fräser eintauchen kann, der baut eine Vorrichtung und eine Schablone für nichts. Ja, das soll's geben.
  • Die schwarzen Ziffern gefallen mir nicht. Der Kontrast ist zu stark. Ich wollte sie sogar zuerst dunkelbraun färben, aber die braue Farbe hat nicht gehalten. Da habe ich sie wieder weg gewischt und schwarz verwendet. Hätte ich besser bleiben lassen sollen.
  • Mein Satz Schnitzmesser, mit dem ich die Ziffern etwas nachgebessert habe, ist jeden Euro wert, und das waren zum Glück nicht mehr als €10 - sonst wär's ein Fehlkauf gewesen. Oder kurz: billiges Klump.

Eines habe ich heraus gefunden: ich baue lieber Möbel :)




5 Kommentare:

  1. Hallo r.s. (wie is eigtl. der richtige Name?),

    schöne Doku, find ich ne tolle Idee, wenn ich das meinen Schwestern Zeige muss ich gleich 5 Stück bauen :o)

    Die Ausbesserung ist Dir gut gelungen, das gehört halt auch immer wieder dazu.

    Jetzt hab ich noch zwei Fragen zu Deiner Blog-Gestaltung:

    1.) Wie bokommst Du die Rahmen um die Bilder?

    2.) Welches Plug-In nutzt Du für Deine Liste Projekte ( da probier ich schon ne Zeit lang rum)?

    Schönen Gruß

    Martin :o)

    P.S. Stell doch den Link ins Forum!

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  2. Hallo Rainer,

    eine schöne Uhr ist das geworden. An deiner Dokumentation gefällt ir besonders, dass du das gefährliche Missgeschick an der Fräse zeigst. Das hilft vielleicht einigen anderen Leuten, die Gefahren dieser Maschinen besser einzuschätzen

    Gruß

    Heiko

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  3. Ein schönes Projekt und wieder mal ein super geschriebener Bericht. Es ist immer wieder eine Freude Deinen Blog zu lesen.

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  4. Hallo Rainer,

    Deine Beschreibung eines Hobbys beschreibt genau meine Motivation - leider sieht meine 2/3-Mehrheit dieses differenzierter.

    Es tut immer weh, so ein Missgeschick zu sehen. Beneidenswert, daß der Rohling nicht als Brennholz endete.

    Gruß
    ARON

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  5. Das Alter des Posts ist scheinbar egal, denn eine solche Uhr ist immer aktuell. Da wir unserem Kleinen kein Plastikding schenken möchten, habe ich mich auf die Suche im Netz gemacht und bin dabei hier gelandet. Nun ist es zu Weihnachten zu spät, aber der nächste Geburtstag kommt schon bald und dann hat er seine Holzuhr zum lernen.

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